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Antivilla am Krampnitzsee

Brandlhuber + Emde, Schneider, Berlin

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Instandsetzung Wohnungsbau Nachhaltigkeit

Architektur

Brandlhuber + Emde, Schneider, Berlin

Bauherr

privat

Projektbeteiligte

Bauleitung/Projektsteuerung: Emde + Schneider, Berlin
Tragwerk und Brandschutz: Pichler Ingenieure, Berlin

Jahr

2014

Ort

Potsdam-Krampnitz

Konstruktionsmerkmale

Bestandsmauerwerk mit neuen Bauteilen aus Beton

Besonderheiten

viel Raum (Villa), wenig Ressourcen- und Energieverbrauch (Antivilla)

Beschreibung

In dem französischen Film „Themroc“ aus dem Jahr 1973 verbarrikadiert sich der titelgebende Held nach öden Jahren des Alltagstrotts in seiner Wohnung. Er vermauert die Tür und bricht mit dem Vorschlaghammer die Außenwände auf. Was Michel Piccoli als Themroc aus Frust tut, unternahmen Arno Brandlhuber, Markus Emde und Thomas Schneider aus Lust: Im Oktober 2013 luden sie Freunde und Familie ein, in die alten Mauern eines ehemaligen DDR-Nähbetriebs große und vor allem unregelmäßige Löcher zu schlagen, um weite Blicke zum See und zum Wald freizugeben.

Die willkürlich wirkenden (innen übrigens doch rechteckig eingefassten) Fensteröffnungen der Antivilla Krampnitzsee bei Potsdam sprechen eine deutliche Sprache: Hier wurde abseits des Gewohnten  gebaut. „Antivilla“, das bedeutet allerdings nicht die Ablehnung des Typs Villa per se, wie in den heftigen Debatten um das 2014 fertiggestellte Haus teilweise irrtümlich unterstellt wird. Das großzügige Raumangebot einer Villa von insgesamt 500 Quadratmetern schätzt Brandlhuber sehr. Er und sein Team wenden sich aber gegen den Kapital- und Ressourcenverbrauch, die üblicherweise mit Villenbau Hand in Hand gehen. Und so ist vom Bestand aus den 1980er Jahren möglichst viel stehengeblieben, nämlich die gemauerten Wände und deren grober Putz. Wo der beschädigt war, wurde in der gleichen Verarbeitungsart ergänzt und abschließend grau geschlämmt, ohne die Spuren der Vergangenheit zu verschleiern. Die großen Öffnungen im Erdgeschoss blieben. Die kleinen der seitlichen Fassaden im Obergeschoss ebenfalls, hinzu kamen die unkonventionellen Panoramafenster. Neu ist auch der mittig in der Seefassade liegende Eingang. Er führt abgekoppelt von den Künstlerateliers im Erdgeschoss schnurgerade nach oben in den privaten Bereich des Architekten und Bauherrn.

Von Wohnung möchte man nicht reden, denn auch hier werden Villen-Klischees auf den Kopf gestellt. Alle nichttragenden Zwischenwände der ehemaligen Zimmerzellen (von denen noch die kleinen Fenster erzählen) wurden weggenommen. Der Raum fließt um einen neuen Kern im Zentrum, der eine Küchenzeile, das Bad mit Oberlicht, die Sauna, den Kamin und die Fortsetzung der Treppe auf das Dach aufnimmt. Und wieder kommt das Andersdenken ins Spiel: Die 250 Quadratmeter Wohnfläche sind in Klimazonen aufgeteilt. Je nach Jahreszeit können mit engporigen Vorhängen im Zwiebelschalenprinzip verschiedene Abschnitte abgeteilt werden. Das reicht von einer Winterzone von rund 60 Quadratmetern rund um den Kern und die Bettinsel (dann wird die Sauna als Heizung eingesetzt) bis zur vollständigen Öffnung aller Bereiche im Sommer.

Auf die übliche Wärmedämmung wurde verzichtet; das Verhalten der Bewohner sorgt für einfaches sowie materialsparendes Bauen und damit doppelt für Energieeinsparung. Das gilt, obwohl aus baurechtlichen Gründen eine Fußbodenheizung eingebaut werden musste. Nichts hätte hingegen baurechtlich gegen den Abriss der beiden Produktions- und Lagerhallen zugunsten dreier neuer Einfamilienhäuser gesprochen. Aber wozu die Graue Energie, die bereits im Bestand steckte, durch Abbruch entsorgen und zusätzliche durch Neubauten vergeuden? Warum nicht ein anderes Denkmodell nachhaltigen Gestaltens anwenden, das die bereits aufgewandte Energie weiter nutzt und bewusst auf reduzierten, unkonventionellen Wohnkomfort baut? Um exakte Verbrauchswerte bestimmen zu können, ist es zwar noch zu früh. Aber der Wärmeschutznachweis liegt zwischen den Energieeffizienzklassen F und G, was typisch für vollständig beziehungsweise teilweise modernisierte Altbauten ist.

Beton

Die Antivilla tritt selbstbewusst auf und versteckt auch ihre neuen Anteile nicht. Ein prominenter, zwei Meter aus dem Dach ragender Wasserspeier weist unübersehbar darauf hin, dass hier etwas Neues entstanden ist. Das alte Dach, eine Konstruktion aus einfachen hölzernen Dreicksbindern und einer Wellasbesteindeckung, musste wegen der Schadstoffe und aus statischen Gründen entfernt werden. Stattdessen liegt nun ein Ringbalken aus Beton auf der Mauerwerkskrone. Der funktioniert wie ein Unterzug und hat die bis zu fünf Meter großen Fenster erst ermöglicht. Die Dachplatte besteht aus wasserundurchlässigem Beton und hat eine Stärke von 30 Zentimetern. An der Unterseite ist sie mit Multipor gedämmt, wie man es von Tiefgaragen kennt. Das Dach hat eine sanfte Neigung von zwei Prozent. Die Zwischendecke besteht aus Stahlbetonhohlkammerdielen, deren Struktur an der Unterseite sichtbar ist. Oben, in der Wohnung, liegt Heizestrich.Der erwähnte Multifunktionskern im Obergeschoss ist eine massive Betonkonstruktion mit 16 bis 24 Zentimetern Dicke. Und – ein räumliches Highlight, nicht nur weil sie direkt in den Himmel zu führen scheint – auch die schlichte Treppe besteht aus Beton. Sie durchmisst insgesamt acht Meter Höhe, taucht ohne Brüstung vom Erd- in das Obergeschoss ein und führt von dort geländerfrei durch ein kastenförmiges, verschiebbares Oberlicht ins Freie.

Vom Dach Richtung See blickt man auf die kleine Schwester der Antivilla: Auf den Fundamenten einer abbruchreifen Gartenlaube haben Studenten der Universität Regensburg, an der Markus Emde lehrt,  eine neue aus Beton gegossen. Entstanden ist ein Einraumhaus ganz ohne Heizung aber mit Abdrücken alter Bauteile als Reminiszenz an den Vorgänger. Es diente quasi als Vorstudie für das Haupthaus, hat ebenfalls ein Betonflachdach, und auch die verkleinerte Variante des dramatischen Wasserspeiers ragt hier hervor.

Die Nachbarn in ihren klassischen Satteldach-Siedlungshäusern reagierten zunächst befremdet auf die alten neuen Gebäude, auch das Wort „Bunker“ fiel. Aber es überwog die Freude, dass auf dem brachliegenden Grundstück überhaupt wieder Leben einkehrte, und inzwischen scheint sich beinahe etwas Stolz einzuschleichen.

 

 

Quelle

Text: Christina Gräwe für EINSATEAM

Bildnachweis: Erica Overmeer / Thomas Spier

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