Infraleichtbeton

Symbiose aus Tragfähigkeit, Wärmedämmung und Ästhetik

Architektinnen und Architekten lieben Sichtbeton. Bei Gebäuden, die für den dauernden Aufenthalt von Menschen bestimmt sind, stoßen sie aber auf eine besondere Herausforderung: Monolithische Fassaden aus Normalbeton und Leichtbeton erfüllen ohne Wärmedämmung meist nicht die hohen Anforderungen an den Wärmeschutz. Wird eine Wärmedämmschicht auf die Fassade montiert, verschwindet der Beton dahinter: Kein Sichtbeton. Ein weiterer Nachteil solcher zweischichtigen Fassadensysteme ist die aufwändige Trennung der Materialien am Ende der Lebensdauer eines Gebäudes. Beton lässt sich hervorragend wiederverwerten, aber nur, wenn er von allen nicht mineralischen Bestandteilen frei ist.

Infraleichtbeton, regional auch Dämmbeton oder Isolationsbeton genannt, bietet hier mit seinen hervorragenden Wärmedämmeigenschaften und seiner dennoch hohen Tragfähigkeit die monolithische Lösung nur aus Beton. Ein weiterer Vorteil: Baukonstruktive Details vereinfachen sich, wenn Wände nur aus einem mineralischen Rohstoff bestehen.

Entscheidend für die Wärmedämmeigenschaften eines Baustoffs ist seine Wärmeleitfähigkeit, die in Watt pro Meter und Kelvin, kurz W/(m·K), angegeben wird. Luft hat eine sehr geringe Wärmeleitfähigkeit. Je mehr Luft ein Baustoff enthält, desto geringer ist seine Rohdichte – angegeben in kg/m³ - und seine Wärmeleitfähigkeit. Normaler Beton besteht aus einer dichten Gesteinskörnung wie Kies und Sand, die mit dem Zementleim „verklebt“ wird. Der Luftgehalt ist dementsprechend gering. Im Leichtbeton sorgt eine poröse Gesteinskörnung für einen hohen Anteil an Luft. Bis zu 85 % feinster Luftporen enthalten diese Gesteinskörnungen. Sie werden z. B. als Bims aus natürlichen Vorkommen gewonnen.

Die Rohdichte eines gefügedichten Leichtbetons gemäß DIN EN 206-1 / DIN 1045-2 liegt zwischen 800 kg/m³ und 2000 kg/m³. Infraleichtbeton bietet seine hervorragenden Wärmedämmeigenschaften aufgrund einer Rohdichte von weniger als 800 kg/m³, die ihm auch zu seinen Namen verholfen hat. Sie liegt unterhalb der von der Norm definierten Grenzen. Da der Infraleichtbeton außerhalb des Normenbereichs liegt, werden für den Einsatz in sicherheitsrelevanten Bauprodukten und Bauteilen Herstellung und Verwendung in allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassungen (abZ)/allgemeinen Bauartgenehmigungen (aBG) oder Zustimmungen im Einzelfall (ZiE)/vorhabenbezogenen Bauartgenehmigungen (vBG) geregelt. Die gegenüber einem genormten Leichtbeton weiter reduzierte Rohdichte wird u. a. durch Ersatz der feinen Gesteinskörnung aus Sand durch Leichtsande erreicht.

Je dicker eine Wand bei gleicher Wärmeleitfähigkeit ist, desto weniger Wärme tritt durch sie hindurch und desto niedriger ist der Wärmedurchgangskoeffizient – angegeben in W/(m²·K). Da bei Beton die Druckfestigkeit überproportional mit der Rohdichte abnimmt, müssen Wände aus Leichtbeton etwas dicker sein als Wände aus Normalbeton, um die gleiche Last aufnehmen zu können. Diese größere Wanddicke sorgt bei Infraleichtbeton gleichzeitig für die erforderliche Wärmedämmung. Infraleichtbeton ist besonders geeignet für mäßig auf Druck beanspruchte Außenwände von ein- und mehrgeschossigen Gebäuden.

Beim Neubau eines zweigeschossigen Einfamilienhauses in Aiterbach schwebte dem Bauherren und Architekten vor, Tragfähigkeit, Nachhaltigkeit, gute Wärmedämmwerte und eine ansprechende Sichtbetonoptik zu vereinen. Hier kam ein Infraleichtbeton mit einer Trockenrohdichte von weniger als 725 kg/m³ bei einer Druckfestigkeit von mehr als 8 N/mm² zum Einsatz [1]. Die damit hergestellten 50 cm dicken Wände weisen eine Wärmeleitfähigkeit λ < 0,185 W/(m·K) auf. Das Haus erfüllt die Bedingungen zur Energieeffizienz gemäß KfW70. Als leichte Gesteinskörnung kam Blähglasgranulat in den Korngruppen 1/2 und 2/4 sowie Blähton in der Korngruppe 2/6 zum Einsatz.

Durch die niedrige Wärmeleitfähigkeit des Infraleichtbetons fließt die bei der Zementhydratation freiwerdende Wärme langsamer ab als bei Normalbeton. Die Betonoberfläche muss daher besonders gut vor zu schneller Abkühlung oder Überhitzung geschützt werden. Andernfalls können Temperaturdifferenzen zwischen Bauteilkern und -oberfläche zu Spannungsrissen führen.

Die geringe Frischbetondichte des Infraleichtbetons erfordert ein durchdachtes Verdichtungskonzept, insbesondere zum Vernadeln der Schüttlagen untereinander. Es entstehen lebhafte Sichtbetonflächen, die Architektinnen und Architekten in ihr Gestaltungskonzept einbeziehen müssen.

Die Möglichkeiten beim Infraleichtbeton sind noch lange nicht ausgeschöpft. Je nach geforderter Druckfestigkeit beträgt die Wärmeleitfähigkeit zwischen 0,14 W/(m · K) und 0,20 W/(m · K). Mit Wanddicken zwischen 55 cm bis 65 cm lässt sich so der Wärmedurchgangskoeffizient (U-Wert) für Wohngebäude von 0,28 W/(m2 · K)  erreichen. Forschungsprojekte beschäftigen sich z. B. mit dem Trag- und Verformungsverhalten biegebeanspruchter Bauteile aus Infraleichtbeton und Wänden mit knickstabilisierter Druckbewehrung.

Wärmetechnische Eigenschaften von Infraleichtbeton (nach [8] und [3])

Architektonische Einfachheit und Finesse im Detail zeigt das 2017 fertiggestellte Wohnhaus f2 in Freising. Schlicht, aber ausgefeilt gestaltete Architekt Reinhard Fiedler seinen Wohnbau. Für die massiven einschaligen Wände bot Infraleichtbeton als moderner Hochleistungsbaustoff gute Dämmwerte, Nachhaltigkeit und die gewünschte Sichtbetonoptik.

Im November 2017 konnte in Berlin-Lichtenberg am Neubau für die Jungendfreizeiteinrichtung „Betonoase“ Richtfest gefeiert werden. Das eingeschossige Gebäude nach einem Entwurf von Gruber + Popp Architekten BDA ist als monolithische Stahlbetonkonstruktion geplant. mit Infraleichtbeton als tragendem und gleichzeitig dämmendem Baustoff für Außenwände und Vordächer. Die für den Wärmeschutznachweis erforderlichen Kennwerte werden auch hier mit Wanddicken von 50 cm erfüllt. Das Gebäude erfüllt dann die Bedingungen für den Passivhausstandard.

[1] Callsen, Björn; Thienel, Karl-Christian: Besondere Aspekte bei der Entwicklung und Ausführung eines hochwärmedämmenden Hochleistungs-Leichtbetons mit sehr niedriger Betonrohdichte. In: beton 4/2017 S.128 f.

[2] Minimalistischer Monolith aus Beton (Objektbericht Haus Thalmair)

[3] Zement-Merkblatt B 14: Infraleichtbeton (PDF)

[4] Zement-Merkblatt B 13: Leichtbeton (PDF)

[5] Schlaich, Mike; Lösch, Claudia; Hückler, Alex: Infraleichtbeton – Stand 2015. In: Tagungsband zur 11. Tagung Betonbauteile am 19. März 2015 in Leipzig. Beuth-Verlag, Berlin 2015

[6] Fiebig, Norbert: Monolithisches Bauen mit Beton - Baustoff | Infraleichtbeton. In: TB iNFO 68 September 2017

[7] Schlaich, Mike; Hückler, Alex: Infraleichtbeton. Reif für die Praxis. In Beton- und Stahlbetonbau 12/2017

[8] Lösch, C.; Rieseberg, P.: Infraleichtbeton. Entwurf / Konstruktion / Bau. Hrsg.: Schlaich, M., Leibinger, R., Stuttgart: Fraunhofer IRB, 2018

[9] Thienel, Karl-Christian; Haller, Timo; Beuntner, Nancy: Lightweight Concrete—From Basics to Innovations. In: Materials 2020, 13(5), 1120

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