betonprisma 86: Wissen

Universität der Zukunft

Die Architektur der neuen HafenCity Universität Hamburg bietet Raum für kommunikativen und kulturellen Austausch.

Im Herbst 2011 wird die HafenCity Universität Hamburg eröffnet. Wir wagen einen ersten Blick in die Zukunft – und berichten über einen ersten Rundgang durch das Gebäude.

Hamburg, im Oktober 2011. Die feierliche Eröffnung der HafenCity Universität Hamburg (HCU) fand vor einer Woche statt. Der Tenor der Laudatoren war einstimmig: Allenthalben Euphorie und Begeisterung. Schon beim ersten Rundgang durch das Gebäude findet das Bestätigung. Auffallend ist: Alles ist offen und transparent, viel Tageslicht, sehr viel Glas, die Wände der Kernzonen aus glattem Sichtbeton. Keine dunklen Ecken, alles klar gegliedert. Vom zentralen Foyer fällt der Blick in die offene Aula. Die Schiebewände zwischen Aula und Foyer sind noch von der Eröffnungsveranstaltung zurückgeschoben. Das Ganze ein wunderbar großzügiger Raum, der sich um die Terrasse nach Osten hin noch einmal erweitert. Mit Ausblick auf den Baakenhafen. Auffallend ist aber auch: Hier verkehrt ein für die Universität ganz untypisches Publikum. Natürlich Studierende, Dozenten und Professoren. Aber man sieht auch viele Besucher. Sie schlendern, schauen sich um, genießen die Blicke nach draußen, unterhalten  sich. Manche gehen zielstrebig in Richtung der studentischen Arbeitsbereiche, die in diesen Tagen – auch hier sind die Schiebewände zur Seite geschoben – als Ausstellungsraum fungieren. Irgendwie ist es hier lebhafter, lebendiger als an anderen Universitäten. Eben nicht so typisch akademisch, trocken. Kein Elfenbeinturm.

Ist das eine Universität? Der Blick fällt jetzt durch die weite Glasfront der 1. Ebene und öffnetsich auf das Hafengebiet und die Stadt, Elbphilharmonie und Science-Center. Es ist eine Universität. Aber eine ganz andere an ganz ungewöhnlichem Ort. Beim weiteren Rundgang durch das Gebäude erinnert man sich der einzelnen Ideen und Schritte, die zum Neubau der  HCU führten.

Die Geschichte der Ideen

Im Januar 2006 wurde die HCU gegründet. Das Vorhaben war ambitioniert: die Zusammenführung der bau- und  stadtentwicklungsbezogenen Studiengänge dreier Hamburger Hochschulen zu einem Labor für Bauen und Stadtentwicklung, zu einer Universität für Baukunst und Metropolenentwicklung. Als Forschungsstätte, die Raum bietet für die breite Auseinandersetzung mit metropolitanen Zukunftsfragen – mit dem wissenschaftlichen Leitbild einer neuen transdisziplinären Arbeitsweise, die sich aus urbanen Lebenswelten und ihren baulich-räumlichen Dimensionen heraus entwickelt. Eine Universität, die teildisziplinäres Denken aus der Gesamtperspektive des Bauens und Planens ermöglicht. Für Studenten und Wissenschaftler unterschiedlicher Fachdisziplinen. Damit war der erste Schritt getan. Da die einzelnen Studiengänge damals an fünf verschiedenen Orten Hamburgs untergebracht waren, lag es nahe, für dieses besondere Vorhaben ein neues und besonderes Gebäude zu planen: ein Gebäude, das interdisziplinäres Denken auch räumlich ermöglicht. Einzig die Frage des Standortes war schnell und konsequent zu beantworten: Was lag näher, als das Gebäude an dem Ort entstehen zu lassen, an dem 2013 eine Internationale Bauausstellung stattfinden wird, eines der größten europäischen Stadtentwicklungsprojekte Europas überhaupt: Die Hamburger HafenCity, Herzstück einer der dynamischsten Regionen Europas. Das war der zweite Schritt.

Exzellente, innovative Lernumgebung

Im Juni 2006 wurde im dritten Schritt ein internationaler zweistufiger Architekturwettbewerb ausgelobt, um die städtebauliche Lösung für das Areal Magdeburger Hafen / Baakenhafen sowie einen Entwurf für das neue HCU-Gebäude zu finden. Die Anforderungen waren hoch. Damals hieß es in der Ausschreibung: „Wir stehen am Anfang eines zweijährigen, öffentlichen  Diskussionsprozesses, der sich folgenden Fragen widmet: Wie lauten die  Zukunftsthemen bezogen auf unsere gebaute Umwelt und die Planung des Städtischen?  Welche sind die künftigen Forschungsfelder, mit denen sich unsere kleine Universität mit ihrer breiten fachlichen Ausrichtung Wettbewerbsvorteile verschaffen kann? Wie können wir eine  exzellente und innovative Lernumgebung schaffen?“ Ausdrücklicher Wunsch war es, dass die Architektur flexibel genug sein sollte, um neue, bislang nicht gekannte Arbeitsweisen zu ermöglichen und die Kommunikation zwischen den Disziplinen und spezifischen Denkweisen zu fördern, Hierarchien aufzubrechen und Fachleute genauso wie Laien, die sich für das Thema interessieren, anzulocken. Im Februar 2007 entschied sich die Jury für das städtebauliche Grundkonzept des Dresdener Büros Code Unique: Die HCU und zwei weitere Baukörper gruppieren sich um einen zentralen Platz am Wasser. Der Platz ist über eine Treppenrampe mit der Promenade auf der Kaimauer verbunden. Die HCU mit Haupteingang zum Platz hin als aufgebrochene, offene und transparente Blockrandbebauung, die sich großzügig zum Eckbereich Magdeburger Hafen und Baakenhafen öffnet und Blickbezüge von der neuen Achse Ost in das Innere des Blocks ermöglicht.

Das Foyer der Universität als Campus

Weiterhin ausschlaggebend für die Entscheidung war die Idee des Dresdner Büros Code Unique, die Universität als offenes Forum für die breite Öffentlichkeit zu denken: ein helles und einladendes Foyer, das sich vom zentralen Platz wie auch vom Lohsepark auf der Ostseite her öffnet, um die Öffentlichkeit zu Ausstellungen, Lesungen und Diskussionen in das Gebäude hineinzuziehen. Damit wurde das Foyer zum Kommunikationszentrum für Studenten und Wissenschaft, aber auch zum Ort des Diskurses mit der und für die breite Öffentlichkeit. „Eine Architekturschule zum Hineingehen“, nannte Volker Giezek, gemeinsam  mit Martin Boden-Peroche, Inhaber von Code Unique, das Vorhaben der neuen HCU. Und Giezek weiter: „Der ganze Corpus des Gebäudes ist ein einziger offener Platz.“ Dies, wie auch die Vitalität und Urbanität des Umfeldes, seien die wichtigsten Voraussetzungen für das Gelingen der angestrebten Offenheit der neuen Hochschule. Nachhaltigkeit als entscheidendes Kriterium Der Flexibilität und Interdisziplinarität des universitären Vorhabens wurde dadurch Rechnung getragen, dass der Entwurf von Code Unique den Einsatz von verschiebbaren Wänden für eine variable Flächennutzung von 200 bis 1.000 qm vorsah. Die von der Jury geforderten Kriterien der Nachhaltigkeit erfüllte der Entwurf von Code Unique im Vergleich zu den anderen Arbeiten am besten. Und so würdigte damals Hamburgs Wissenschaftssenator und Jurymitglied Jörg Dräger den Entwurf als überzeugend dadurch, dass er „die HCU offen und transparent erscheinen lässt, neugierig auf die Inhalte macht und den öffentlichen Raum mit der Hochschule harmonisch verbindet. Mit dem Neubau wird die HCU alle Möglichkeiten bekommen, mehr als nur Hochschule zu sein: Kommunikationszentrum, Denkfabrik, Kulturforum und vieles mehr.“

Klimaregulierende Betonbauteile

Anfang 2008 befand sich das Gebäude in der weiteren Planung. Für Gebäudecharakteristika wie Flexibilität und Nachhaltigkeit wurden zu diesem Zeitpunkt Detaillösungen erarbeitet: Die meisten Räume wurden multifunktional angelegt. So wurden neben der Aula auch die studentischen Arbeitsplätze und Projektflächen als offene, kommunikative und nach Bedarf unterteilbare Räume angeordnet. Den geforderten Nachhaltigkeitskriterien wurde in vielfacher Hinsicht Rechnung getragen: Unter anderem wurde der Neubau überwiegend als Stahlbetonbau errichtet, bei dem auf bekleidende Materialien weitgehend verzichtet wurde: Flurbereiche, Decken sowie Teile der Aula sind in Sichtbetonqualität gestaltet. „Wir mögen  Beton, weil er ein wahrhaftiges Material ist, eine experimentelle Optik aufweist, den laborhaften Charakter unterstützt und ein strapazierfähiges Material ist“, so Volker Giezek. Die massiven Betonwände der Kernzonen des Gebäudes können durch den Verzicht auf Bekleidungen als Wärmespeicher und damit regulierend auf die Innentemperaturen wirken.  Der Rundgang hat uns mittlerweile in die höherliegenden Geschosse geführt: Auf der zweiten und dritten Ebene findet sich eine klare Funktionstrennung zwischen nördlichem und südlichem Gebäudeteil. Im Norden die Räume der Laborbereiche, im südlichen Teil entlang des Hafenpanoramas Seminarräume und Gestaltungswerkstätten als Orte für die gemeinsame kreative Auseinandersetzung. Im 4. und 5. Geschoss finden sich Büros der  Arbeits- und Forschungsgruppen. Sie liegen zentral und dennoch separiert, erstrecken sich über den Nord- und Südteil des Gebäudes und profitieren so ebenfalls von den vielfältigen Ausblicken auf die Stadt und das Wasser. Wir beenden unseren Rundgang in dem Bewusstsein, dass wir wiederkommen werden, um die Atmosphäre dieser Universität zu genießen und uns von diesem offenen,  kommunikativen Raum inspirieren zu lassen, über Baukunst und Metropolenentwicklung nachzudenken und zu diskutieren.

Norbert Fiebig, Torsten Förster

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