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Kornversuchsspeicher, Berlin

AFF Architekten, Berlin

Architektur

AFF Architekten, Berlin

Bauherr

Adler Group

Projektbeteiligte

Fachplaner
TGA: Passau Ingenieure GmbH, Berlin
Tragwerk: ISKP Ingenieure, Berlin
Bauphysik: ISRW - Institut für Schalltechnik, Raumakustik, Wärmeschutz
Landschaftsarchitektur: capattistaubach urbane landschaften, Berlin
Weitere
GU: Zechbau GmbH, Cottbus
Ausbau: Apleona R&M Ausbau Berlin GmbH, Berlin
Elektrik: Speidel GmbH, Berlin

Jahr

2023

Ort

10557 Berlin, Hedwig-Porschütz-Straße 20

Besonderheiten

Der Speicher wurde aufgestockt, umgebaut und in eine neue Nutzung überführt. Dabei sind die wesentlichen baulichen Ergänzungen in Sichtbeton ausgeführt, die in Ihrer monolithischen Erscheinung einem zusammenhängenden Gestaltkanon folgen.

Preise

Preisträger Architekturpreis Beton 2023

Beschreibung

Preisträger Architekturpreis Beton 2023

Jurybegründung

Hier wird zeitgemäßes Weiterbauen und Revitalisierung eines Baudenkmals zum entscheidenden Momentum für das neue Gebäude. Schon das vorhandene Gebäude, das mit Stahlbeton gebaut wurde, zeigt, wie auch zukünftig mit dem Baustoff umgegangen werden kann, wie die Decken Konstruktionen so sein können, dass sie wirklich Material einsparen und wie gleichzeitig ein hervorragender architektonischer Beitrag entsteht. Durch Sensibilität und Kompetenz ist ein insgesamt stimmiges Gebäude in guter gestalterischer Qualität entstanden. Ein gelungener überaus ehrlicher und geradliniger Beitrag, bei dem jedes Zuviel souverän vermieden wurde.

Elegante Schale, rauer Kern
Der sanierte Kornversuchsspeicher von AFF Architekten ist ein Kleinod erfolgreicher Vitalisierung von Architekturikonen

Ein Baum aus Beton, quadratisch der Stamm, darüber kragen mächtige Äste kreuzförmig aus. An ihnen hängen seltsame Früchte, ebenfalls aus Beton: umgekehrte Pyramiden, aus denen einst Getreide floss. Der von AFF Architekten sanierte Kornversuchsspeicher birgt seine eigene Poesie. Die historische Trichterdecke diente dazu, Getreide abzufüllen. Nun ist sie ein raumbildendes Element von ungeheurer Präsenz. Beton kann vieles. Seine raue Schönheit aber entfalten bevorzugt jene Bauten, die aus ihrer Funktion Schlüssigkeit gewinnen. Wie etwa jener Kornversuchsspeicher auf dem Gelände des Hamburg-Lehrter Güterbahnhofs, ein Pionierprojekt des Stahlbetonbaus.

Das sechsgeschossige Lagerhaus wurde 1897-99 als Kastenspeicher errichtet und sollte die seit 1900 stark wachsende Berliner Bevölkerung versorgen. Ursprünglich als massiv gemauerter Backsteinbau mit flachem Satteldach angelegt, wurde bereits 1915 die hölzerne Innenkonstruktion durch einen wesentlich dauerhafteren Stahlbetonskelettbau ersetzt. An der Nordwestseite kam ein ganzer Gebäudeabschnitt hinzu, was sich direkt an der Fassade ablesen lässt, die seither das rationale Raster industriellen Stahlskelettbaus zeigt. Der Versuchskornspeicher war auf 1.130 Tonnen Getreide ausgelegt, das auf fünf Schüttböden und vier Silos lagerte und über ein Becherwerk senkrecht nach oben befördert wurde. Entsprechend stabil war seine Konstruktion in Stahlbetonskelettbauweise ausgelegt. Seine besonderen Trichterspeicherdecken machen das Bauwerk zu einem einzigartigen Industriedenkmal, sodass jede Veränderung genauestens mit dem Amt für Denkmalschutz abgesprochen werden musste. Jede Wohnnutzung etwa schied grundsätzlich aus.

Minimalinvasive Umnutzung

Obwohl umringt vom modernen Wohnbau der Europacity, steht das Haus am Berlin-Spandauer Schifffahrtskanal auch heute noch als Solitär und Überbleibsel einer anderen Epoche, dessen Geschichte mit Händen zu greifen ist. Einige Bauteile waren Jahrzehnte exponiert und verwitterten, doch der Speicher hatte nicht an Stärke verloren. Im Gegenteil. Die Herausforderung für AFF Architekten bestand darin, den historischen Speicherbau in ein modernes Büro- und Veranstaltungshaus zu verwandeln – und zwar minimalinvasiv.

„Wir versuchten, uns in den Duktus einzuordnen und die Stärken des Vorhandenen weiterzuschreiben – in diesem Fall: mit der Aufstockung die stadträumliche Präsenz des Gebäudes zu stärken“, sagt Projektleiterin Ulrike Dix. In diesem Fall hieß das, das Haus zu respektieren und die geforderte Aufstockung mit Blick auf seine Geschichte zu gestalten. Zum Glück zeigten alte Dokumente, dass der Kornspeicher ursprünglich mit einem Laternendach versehen war. Die Aufstockung war also so etwas wie seine Rückführung auf seine alten Gardemaße. Tatsächlich wirkt der Dachaufbau samt fein strukturiertem Klinkerbild so stimmig, ja absolut notwendig, dass er die Proportionen des Hauses verbessert und zugleich das Neue mit dem Alten eine Symbiose eingeht.

Für die Architekten stellte sich ein anderes Problem: Die erste Erweiterung von 1915, ein Gerüstbau mit Schüttendecken, war als dreidimensionales Betongerüst angelegt, deren Fertigteilelementen sich nach oben verjüngen. Die Tragkonstruktion etwa verringerte sich kontinuierlich im Querschnitt, im jüngeren Bauteil von 95x95 Zentimetern im Erdgeschoss auf 50x50 Zentimetern im vierten Obergeschoss. Das aber wollten die Baumeister der Zeit außen nicht abbilden, sondern setzten auf ein regelmäßiges Raster, weshalb sie die Fassade mit Beton überputzten. Sollten die AFF Architekten der konstruktiven Systematik folgen – oder das ästhetische Bild nach außen tragen? Das Ergebnis lässt sich leicht anhand der Fotos überprüfen – und ist absolut überzeugend.

Raue Schönheit

Noch immer fühlt sich das Gebäude rau an und massiv, auch wenn die Architekten das Lagerhaus durch präzise Eingriffe in einen Ort transformierten, der gleichermaßen für Ausstellungen und Kulturveranstaltungen wie Büros geeignet ist.

Vier Interventionen prägen das Haus: Ein zusätzliches Dachgeschoss entstand, angelehnt an die ursprüngliche Speicherform mit Laternendach, das sich durch seine horizontale Bänderung klar vom Bestand absetzt. Zweitens die Fassadensanierung: Der historische Klinker wurde aufgearbeitet und Fehlstellen wurden ergänzt. Großformatige Verglasungen ersetzen teils die historischen Ausfachungen, Balkone öffnen das Haus zur Umgebung. Drittens: das neue Innere, strukturiert durch stählerne Galerieebenen den besonderen Arbeitsraum. Auf jeder zweiten Ebene wurden die Schütten zurückgeschnitten, um ordentliche Raumhöhen zu erreichen – rund drei Meter dreißig im Erdgeschoss und normale Durchschnittshöhen in den Obergeschossen. Schließlich wurden in einem Erschließungskern zwischen dem Klinkerbau und historischem Anbau ein Treppenhaus, Aufzüge sowie Sanitärbereiche und Technikräume in das Haus eingebracht.

Obwohl der Speicher für exorbitante Lasten ausgelegt war, galt es, seine heutige Tragfähigkeit und Brandschutz nachweisen, was gelang, nicht aber die Dauerhaftigkeit des Baus, weshalb weite Teile saniert werden mussten – oft eine furiose Gratwanderung zwischen den Vorgaben der Arbeitsstättenrichtlinie, den Wünschen an eine neue Nutzung und dem Erhalt eines Industriedenkmals. Dass dabei kein Kompromiss entstand, sondern ein stimmiges Ganzes, ist der Sensibilität und Kompetenz der Architekten geschuldet, die Neues kennzeichneten sowie Einbauten und Veränderungen deutlich ablesbar machten, etwa die innenliegende Dämmung an der monolithischen Konstruktion.

Ehrlichkeit und Geradlinigkeit prägen die Sanierung und Transformation. Der Kornversuchsspeicher zeigt, was zeitgemäßes Weiterbauen und intelligente Revitalisierung eines Baudenkmals bedeutet. Das neue Nutzungskonzept umfasst ein öffentliches Erdgeschoss mit Galerie, Café und Bar, Büros in den Obergeschossen sowie ein Restaurant unter der Dachaufstockung. Das gelang dank einer klugen Planung, die jedes Zuviel souverän vermied und durch die Reverenz an ihre Vorgänger ehrlich auftritt. „Unsere Arbeit basiert auf dem Verständnis von Architektur als etwas Objekthaftem“, sagen die Architekten. „Wir versuchen zu ergründen, in welchem Verhältnis das Objekt zu seinem Ort und zum Charakter seiner Aufgabe steht.“ Genau das ist gelungen.

Quelle

Autor: Oliver Herwig, © Fotos: Tjark Spille, Wildeshausen, Pläne: Architekten

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