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6x60 Haus

Alexander Tochtermann & Philipp Wündrich

Architektur

Alexander Tochtermann & Philipp Wündrich

Bauherr

Tom Hack

Projektbeteiligte

Betonbau: AS Bau, München
Holzbau: Gruber Haus, Hausham
Fassadenbau: Mayr-Schütz, Arnbach

Jahr

2022

Ort

Schwabhausen

Besonderheiten

Das Gebäude mit drei Wohneinheiten besteht im Wesentlichen aus einer schwebenden Sichtbetonplatte, 20 Wänden und einem Dach. Um den intensiven Freiraumbezug zu unterstreichen sind sämtliche Sichtbetonelemente mit 6% schwarzem Pigmentzuschlag versehen und je monolithisch in einem Stück gegossen.

Preise

Anerkennung Architekturpreis Beton 2023

Beschreibung

Anerkennung Architekturpreis Beton 2023

Jurybegründung

Die Jury findet die einfache und doch sehr eigenständige, starke gestalterische Bauart mit präzisem Materialeinsatz von Beton und Holz für ein Dreifamilienhaus hervorragend. Schlüssiger und geradliniger lässt sich ein Haus heute kaum mehr gestalten.

Schwebend, aber nicht abgehoben
Kompromissloses Mehrfamilienhaus 6x60 auf dem Land

Mangelnde Geradlinigkeit ist den Architekten des 6x60-Hauses nicht vorzuwerfen. Ihr Gebäude ist ein langer Strich in der Dorflandschaft von Schwabhausen zwischen Dachau und Augsburg, der sich trotz seiner Größe – tatsächlich 60 Meter – zurücknimmt und für flüchtige Betrachterinnen und Betrachter vielleicht sogar als Teil eines Gehöftes durchgehen könnte: ein Riegel mit – je nach Tageszeit – dunklen oder transparenten Glasfronten, über denen sich ein mächtiges, um 45 Grad geneigtes Satteldach erhebt. Einfacher und eindrücklicher lässt sich das generelle Urbild eines Hauses nicht mehr ausdrücken. Und genau darin liegt der Charme des Entwurfs von Alexander Tochtermann und Philipp Wündrich, die einerseits die Typologie der Region aufgreifen, sie aber dann doch so ernst nehmen und radikalisieren, dass sich ein Widerstand aufbaut gegen das alltägliche Bauen, den die gedämpfte Materialpalette in Grautönen noch verstärkt. Mehr an Weniger geht kaum mehr in der Landschaft zwischen Oberbayern und Schwaben.

Auch hier ist der Wandel nicht aufzuhalten. Während einerseits immer mehr Gewerbegebiete und Neubauareale genehmigt werden, brechen Traditionen weg. Gastronomie hat es schwer auf dem Lande. So steht das Mehrfamilienhaus 6x60 am Rande des Wirtsgartens der einstigen Gastwirtschaft Untere Post, direkt am Rothbach, der mit seinen Bäumen quer durch die Gemeinde zieht. Autofahrer und Wagenlenkerinnen an der Augsburger Straße werden von dem markanten Gebäude wenig erkennen, das im spitzen Winkel von der Straße wegweist – und seinen Bewohnern damit freien Blick auf eine große Wiese im Norden eröffnet. Dafür sorgt eine lange Sichtbetonmauer vor dem dreieckigen Garten. Der idyllische Bach unmittelbar vor dem Haus ist auch der Grund, warum der Neubau auf einer großen Betonplatte ausgeführt wurde, wodurch er über dem Boden zu schweben scheint, ohne wirklich abgehoben zu sein. Tatsächlich verbirgt sich unter der auffallenden Platte die eigentliche Bodenplatte, die mit Bohrpfählen befestigt ist.

Geradlinig machten sich Alexander Tochtermann und Philipp Wündrich an die schnörkellose Behandlung der Bauaufgabe – ein Mehrfamilienhaus für drei Parteien mit einfachem Satteldach –, verstärkt noch durch die augenzwinkernd-freche Ausführung in wenigen Materialien: einer Bodenplatte aus Beton, Wänden aus Beton und Holz und einer langen Fensterfront aus Glas sowie einem metallgedeckten Dach, unter dem das gläserne Erdgeschoss wie unter einem mächtigen Schirm geschützt wird. Nichts stört die Optik klarer Kanten. Regenwasser läuft über die Trapezblechdeckung geradewegs in die unter der Plinthe angebrachte Kiesdrainage.

Wie zuvor erwähnt: Von außen gibt sich das Haus eher verschlossen. Die lange Front ist rhythmisiert durch vortretende Betonwände, die eine Ahnung geben von dem, was dahinter liegt: eine einfache Struktur aus 21 Wänden; fünf tragende Wände bestehen aus dunklem Sichtbeton, 16 Wände aus Massivholzplatten. Die Massivholzplatten des Dachs spannen von Wand zu Wand. Der Sichtbeton wurde mit sechs Prozent schwarzem Pigmentzuschlag versehen (um „den intensiven Freiraumbezug zu unterstreichen“) und je monolithisch in einem Stück gegossen. Die Wände ragen 5,50 Meter hoch auf und bestimmen die Atmosphäre des Hauses, das eine gewisse Rohheit an den Tag legt. Der Beton zeigt immer noch Ankerlöcher und Schalplattenspuren, seine Oberfläche wurde in den Bädern lediglich hydrophobiert, ebenso wie die Zementestrichböden. Türen scheinen aus den durchgängigen Wänden wie herausgeschnitten zu sein und bilden kleine Enfiladen. Gelegentlich bricht aus der Geradlinigkeit ein Rund heraus – Zeichen dafür, dass dahinter ein Bad liegt. „All over“ heißt das in der Malerei des 20. Jahrhunderts: Einzelne Flächen verschwinden zugunsten des Gesamteindrucks. Das ist auch hier der Fall. Die Holzwände wurden gelaugt und mit pigmentiertem Leinöl durchgefärbt, was ihnen die Anmutung von Stein gibt und sie optisch näher an die dominanten Betonoberflächen bringt.

Erst ein Blick auf den Schnitt lüftet etwas das Geheimnis des Riegels: seine innere Struktur, die sich von außen nur bedingt ablesen lässt. Die tragenden Sichtbetonscheiben sind nicht einfach nur um 90 Grad versetzt zur Fassade angelegt, im Gegenteil: Mal knicken sie ab (für eine Kochzeile auf der einen Seite und ein Schlafzimmer auf der anderen), mal buchten sie sich aus (für ein Bad etwa) oder kurven um eine Dusche, sodass der Grundriss zu tanzen beginnt und das Bauwerk etwas Musikalisches erhält, das über die an der Fassade ablesbaren Rhythmen (die auf beiden Seiten völlig anders verlaufen) hinausgeht.

Auf 60 Metern reihen sich drei vollwertige Wohneinheiten. In der Mitte eine große Familienwohnung, an beiden Enden je eine kleinere. Östlich der zentralen Wohneinheit liegt der Hauswirtschaftsraum mit der gesamten Haustechnik. Fast im Goldenen Schnitt der Anlage liegt eine halbkreisförmige Ausbuchtung der Bodenplatte, und man ahnt, dass hier im Sommer genug Platz ist für eine große Grillparty. Auch der Querschnitt des Hauses ist nicht ohne Witz. Der Rothbach wird zu einer Delle der Bodenlinie, das Haus mit seiner schwebenden Bodenplatte zu einer Art Hausboot, das hier mal eben vor Anker gegangen ist. Dass durch den Bach das auch am Land übliche Kellergeschoss entfällt, ist ein großer Vorteil, nicht nur, was die Baukosten angeht. Die Reduktion auf das Wesentliche beginnt eben nicht nur bei sparsam möblierten Wohnungen, sie braucht einen gestalterischen Kern, der das ganze Langhaus durchzieht. Diese Haltung steckt auch in der prägnanten Baubeschreibung der Architekten: „Das Gebäude mit drei Wohneinheiten besteht im Wesentlichen aus einer schwebenden Sichtbetonplatte, 20 Wänden und einem Dach“, sagen sie. „Fünf dieser Wände sind in Sichtbeton gefertigt und steifen das Gebäude durch ihre geometrische Verformung aus. Zugleich bilden diese Formen blickgeschützte und somit intime Badezimmer.“ Schlüssiger und geradliniger lässt sich ein Haus heute kaum mehr gestalten.

Quelle

Autor: Oliver Herwig, Fotos: @ Mikael Olsson, Stockholm

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