betonprisma 89: Familie
Gemeinsam gestalten: Architekten und Baugruppen
Familiäre Wohnprojekte in der Stadt als Alternative zum Eigenheim auf der grünen Wiese
Urbanes Leben mit hoher Aufenthaltsqualität spricht auch Familien mit Kindern an. Immer öfter realisieren Familien gemeinsame Projekte in der Stadt als Alternative zum Eigenheim auf der grünen Wiese. Oft heißt das, mögliche Projekte erst einmal aufzuspüren oder selbst zu entwickeln. Wir sprachen mit Sascha Zander von zanderroth architekten aus Berlin über seine Erfahrungen.
Herr Zander, Sie haben verschiedene Wohnhäuser für Bauherrengemeinschaften realisiert. Was führt die Gruppen zusammen?
In erster Linie der Wunsch nach Wohneigentum in bevorzugten Lagen, also Stadtteilen, in denen die Mietpreise so hoch sind wie Zins und Tilgung möglicher Kaufobjekte. Ein Bauherrenprojekt ist im Verhältnis zu Bauträgerprojekten ca. 20 Prozent preiswerter. Das ist natürlich für Familien interessant. Die meisten Gesellschafter der von uns betreuten Baugruppen sind 30 bis 40 Jahre alt, oftmals Akademiker, Selbstständige und Freiberufler – darunter auffällig viele Familien. In unseren aktuellen Projekten wohnen zahlreiche Familien mit durchschnittlich einem Kind pro Wohnung. Durch das gemeinsame Bauen, den gemeinsamen Planungsprozess, entstehen besonders feste Gemeinschaften. Die Leute kennen sich bereits zwei bis drei Jahre, bevor sie in das Haus einziehen, und die Nachbarschaft ist entsprechend gefestigt. Gemeinsame Planungsprozesse harmonisieren: man hat schon einiges erreicht und auch den einen oder anderen Konflikt erfolgreich ausgestanden.
Baugemeinschaften treten beim Grundstückskauf in Konkurrenz zu privaten Investoren. Ist eine Kaufoption für sie schwierig zu erlangen?
Jeder Bauträger würde ein Grundstück mit Eigenkapital kaufen oder über die Bank finanzieren. Das können Baugruppen nicht, sie benötigen fünf bis sieben Monate um sich zu konstituieren und das erforderliche Kapital aufzubringen. Aktuell haben Baugruppen wieder größere Chancen, denn private Verkäufer lassen sich darauf ein, wenn andere Interessenten fehlen. Zurzeit ist es für Bauträger nicht einfach, weil die Anforderungen der Banken hoch sind. Vor zwei Jahren schien das Konzept nicht mehr gut zu funktionieren, weil immer mehr Bauträger die Grundstücke für Neubauten nachfragten. Das hat sich derzeit geändert.
Ihr Architekturbüro hat als spezielles „Dienstleistungsangebot“ die Planung für Bauherrengruppen im Portfolio. Wie kommen die Interessenten zu Ihnen?
Bei unserem ersten Projekt wurden wir von Bekannten und Freunden angesprochen. Wir hatten gerade Wohnungen für einen Bauträger gebaut, die für die Freunde zwar interessant, aber zu teuer waren. So haben wir dann dieses Projekt nachkalkuliert, da wir ja die Preislisten kannten und wussten, was für die Herstellung der Häuser gezahlt wurde. Das Ergebnis dieser Berechnungen war, dass uns die errechnete Preisspanne durchaus interessant erschien, Wohnungsbau einmal finanziell anders zu konstruieren.
Initiativgruppen für Bauprojekte gibt es eigentlich immer. Wir haben eine Kundenkartei mit rund 300 Adressen, die in den letzten fünf Jahren ein Baugruppenprojekt nachgefragt haben. Sobald wir für ein Grundstück eine Kaufoption mit Notarvertrag erwirken, veröffentlichen wir das Projekt unter diesen Interessenten. So findet das Projekt die künftigen Bewohner, die zu ihm passen. Diese gründen dann eine GbR und errichten das Gebäude. Der Übergang zur Wohnungseigentümergemeinschaft wird bereits im Gesellschaftsvertrag geregelt.
Wie können wir uns das Bauen mit einer Bauherrengemeinschaft spezifisch vorstellen? Bleibt überhaupt architektonischer Spielraum?
Mit dem Architektenvertrag erhalten wir das Mandat zur Gestaltung der Fassade und des Rohbaus. Wir legen im Wesentlichen fest, wie das Gebäude aussehen und funktionieren soll. Das Projekt Schönholzer Straße 11 hatte beispielsweise ursprünglich eine Stahlfassade. Im Laufe der Planung wurde klar, dass sich hier die Gelegenheit bietet, ein Wohngebäude aus Sichtbeton umzusetzen. Diese Idee haben wir dann der Gemeinschaft vorgestellt. Fragen der Raumkonstellationen und der Versorgungsstränge werden von uns festgelegt. Das Besondere an unseren Grundrissen ist, dass der Rohbau im Innern – bis auf massive Wohnungstrennwände und Stützen – von tragenden Wänden befreit ist, was eine höchstmögliche Flexibilität der Grundrisse gewährleistet
Die Idee der Bauherrengemeinschaft verbindet man mit individuellen Wohnkonzepten. Sind die Wohnungen wirklich auf den Einzelnen zugeschnitten?
Materialität und Ausbau im persönlichen Bereich wird jedem freigestellt, hier beraten wir lediglich und unterstützen technisch. Auch bei der Haustechnik kann die Gruppe selbst festlegen, mit welcher Heizung und welcher Energieeffizienz das Projekt realisiert werden soll. Die Trennung dieser beiden Bereiche führt dazu, dass die Prozesse relativ schlank sind. Mehr als ein Treffen im Monat ist in der Regel nicht erforderlich. Die bisherigen Projekte konnten innerhalb von zwei bis zweieinhalb Jahren abgeschlossen werden. Insbesondere die zügige Umsetzung ermöglicht kostengünstigen Wohnungsbau.
Was müssen Architekten beachten, die sich auf das Abenteuer Baugemeinschaften einlassen? Wie bekommen Sie die komplexen Planungsabläufe in den Griff?
Aus meiner Sicht funktionieren Baugruppen nur mit einer guten Projektsteuerung, die sich um Kosten, Qualität der Herstellung und um den Zeitablauf kümmert. Das kann, muss aber nicht Aufgabe des Architekten sein. Unsere Steuerungsgesellschaft sorgt dafür, dass Bauherren frühzeitig ihre Vorstellungen äußern, die Finanzierung sichergestellt ist und die Einzahlungen funktionieren. In Bezug auf die Gestaltung von Gebäuden tragen Baugruppen die gleiche Verantwortung wie Bauträger, wenn es um ihren Beitrag zur Gestaltung des öffentlichen Raumes geht. Aus unserer Sicht führen partizipatorische Projekte selten zu guten architektonischen Konzepten, da gestalterische Prozesse nicht durch Abstimmungsergebnisse begünstigt werden.
Aus Freiburg, Hamburg oder Tübingen sind seit langem Projekte von Baugemeinschaften bekannt. Wie geht Berlin mit der neuen Form Wohneigentum zu bilden um?
Berlin hinkt in der Entwicklung hinterher. Der Senat hat inzwischen aber eine private Netzwerkagentur ins Leben gerufen, um Baugruppen publik zu machen und Fragen, die aus der Bevölkerung kommen, zu beantworten. Diese Agentur stellt auch die Verbindung zu Architekten her. Inzwischen forciert die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung die Festpreisvergabe städtischer Grundstücke und geht vom jeweiligen Marktwert aus, setzt also nicht auf Versteigerung wie der Liegenschaftsfond, der das Haushaltsdefizit konsolidieren soll. Ein Bieterverfahren ist für Baugruppen sehr ungünstig, weil keine Zeit bleibt, sich auf höhere Kosten einzustellen. Noch verpasst Berlin die Chance, durch gezielte Vergabe strategische Stadtentwicklung zu forcieren: Baugruppen könnten in vielen Bereichen zur Herstellung städtischer Infrastruktur und zur Stabilisierung von Stadtquartieren beitragen.
Ruft das nicht den Vorwurf der „Gentrification“ auf den Plan?
In Mitte und Prenzlauer Berg können Käufer von Wohnungsbestand über zehn Jahre die Sanierungskosten komplett abschreiben. Erfahrungsgemäß also jene, die auch Steuern zahlen. Was sich soziale Stadterneuerung nennt, hat dazu geführt, dass die Bewohner dieser Bezirke durch gesetzlich fundierte Abschreibungsmodelle zu 80 Prozent ausgetauscht wurden. Völlig abwegig wäre die Vorstellung, dass Bauherrengemeinschaften solche Prozesse auslösen. Die Anzahl von Baugruppenprojekten reicht hierzu nicht aus. Verdrängung findet, wenn überhaupt, eher mittelbar statt, weil durch die Aufwertung der Quartiere die Mieten steigen. Bauherrengemeinschaften sind also kein Beitrag zu einem neuen sozialen Wohnungsbau. Es geht um die Selbstständigkeit des Mittelstandes. Das gelingt gut. Wenn man politisch mehr von diesem Konzept wollte, dann könnte es spannend werden.
Viele Familien kennen das Modell Bauherrengruppe noch gar nicht. Wie erreicht dieses Baukonzept eine breitere Öffentlichkeit?
Ich glaube, dass in fünf bis sechs Jahren 25 Prozent der neuen Wohnungen über solche Konzepte realisiert werden könnten. Entscheidendes Kriterium für eine größere Bekanntheit ist eine für Baugruppen einfache Vergabepraxis. Natürlich wird Öffentlichkeit auch durch Architekturqualität erzeugt. Letztlich reicht es schon, wenn Wohnhäuser besonders gut gelingen und sie so öffentlich wahrgenommen werden.
Herzlichen Dank für das Gespräch.