26.02.2018

Beton in den Alpen

Bauen auf dem Nebelhorn

Bauen im Gebirge ist eine besondere Herausforderung. Für das Gipfelrestaurant der Vorarlberger Architekten Hermann Kaufmann ZT auf dem Nebelhorn mussten die Baumaterialien per Helikopter bis auf über 2.200 Meter Höhe geflogen werden.

Urbane Eleganz auf dem Gipfel? Kleine Elphi auf dem Nebelhorn? In der Tat bringt heute die Nebelhornbahn in Oberstdorf Tausende Naturbegeisterte in Höhen, die ehemals nur Alpinisten vorbehalten waren. Denn inzwischen schätzen Jung und Alt den Aufenthalt in den Bergen zur Erholung, zum Rückzug oder als Freizeiterlebnis mit wohlkalkuliertem Risiko. Ganzjährig geöffnet gilt daher die Seilbahn auf den Oberstdorfer Hausberg als eine der wichtigsten Infrastruktureinrichtungen für den Tourismus im Allgäu.

Bereits in den vergangenen Jahrzehnten hatte eine Vielzahl von Baumaßnahmen die bauliche und landschaftgestalterische Situation auf dem Gipfel beeinflusst. Die Planer fanden massive Reste einer ehemaligen Seilbahnstation und ein Gasthaus vor, das in seiner Dimension dem Blick auf die faszinierende Landschaft entgegenwirkte und den Anforderungen an modernen Tourismus nicht mehr gerecht wurde. Die Entscheidung des Bauherrn, der Nebelhorn AG, für einen Neubau eröffnete den Planern die Chance, die benötigte Infrastruktur und deren Einbindung in die Landschaft rund um den Gipfel wesentlich zu verbessern. So stellten Hermann Kaufmann Architekten dem Anziehungspunkt Nebelhorn ein modernes Gipfelrestaurant zur Seite, das die in die Jahre gekommene Gaststätte elegant ersetzte und dem puren Naturerlebnis keine Konkurrenz mehr macht. Denn der Vorgängerbau hatte einen entscheidenden Nachteil. Das Chalet aus den 50iger Jahren verstellte den Blick auf das Nebelhorn vom Tal aus; auch bei der Ankunft mit der Seilbahn nahm es die Sicht. Kleine Fenster im Gastraum verhinderten zudem spektakuläre Ausblicke. Die Leitidee des Architekturbüros war folglich, wie Hermann Kaufmann, Gründer des gleichnamigen Vorarlberger Architekturbüros, in einem Interview erläuterte, „den Gipfel wieder zu befreien, ihn in den Mittelpunkt zu rücken und erlebbar zu machen.“

Berg als Hauptattraktion

Rund zwanzig Millionen Menschen hat die Nebelhornbahn schon auf den Berg befördert. Bei ihrer Einweihung 1930 war sie die längste Personenschwebebahn der Welt. Bis heute kommt man mit keiner Bergbahn im Allgäu höher hinaus als auf die 2.214 Meter hoch gelegene Gipfelstation. Dort oben belohnt ein legendärer 400-Gipfel-Blick die zwanzigminütige Gondelfahrt. Der Neubau sollte diesem  Panorama gerecht und ganzjährig für Besucher ein Anziehungspunkt werden. Denn anders als früher liegt inzwischen das Wandern auch bei jungen Leuten im Trend. Wer auf den Geschmack gekommen ist, so ein Sportmagazin,  für den könnte das Wandern auch die „Einstiegsdroge“ zum Klettern sein. Für routinierte Bergsteiger bietet der Gipfelbereich des Nebelhorns jedenfalls einen Einstieg zum Hindelanger Klettersteig.

Nach dem Abbruch des Altbaus entstand in dieser Höhe ein Gebäude, das, so formuliert es ein Text der Architekten, die konstruktiven und gestalterischen Möglichkeiten des Holzbaus ausreize, „jenseits von Alpenkitsch und geometrischen Zwängereien“. Um das Naturerlebnis aufzuwerten, rückten die Architekten daher das Restaurant von der Seilbahnstation ab und reduzierten das Bauvolumen auf der Erdgeschossebene auf ein Minimum. Ein kleiner Pavillon mit Aussichtsterrasse dient dort als Eingangsbauwerk und integriert eine Bar mit Bistro. In den großen Gastraum, der im Untergeschoss liegt, kommt man über eine breite Treppe oder hindernisfrei mit einem Lift. Den rundum verglasten Raum umsäumten die Architekten mit einer großzügigen Terrasse.

Integrative Architektur

Für ihre architektonische Gestaltung, die moderne Reduktion und alpine Tradition intelligent verbindet, wählten Hermann Kaufmann Architekten einen integrativen Ansatz. Durch die umlaufenden, verglasten Brüstungsbänder fassten sie das neue Gipfelrestaurant und die Terrassenbauwerke architektonisch zu einer gestalterischen Einheit zusammen. Die  organische Form des Baus umschließt erhaltenswerte Teile des Bestands und fügt dieses gleichzeitig in die Topographie ein. Dem massiven Sockelgeschoss mit den Technikräumen unter dem Restaurant wurden Natursteine aus der Umgebung vorgemauert.

Die Seilbahnstation wurde zum Neubau hin bewusst durch eine optische Zäsur abgesetzt. Einerseits ließ sich der bestehende Betonbau nicht in die von den Architekten gewählte organische Form des Gipfelrestaurants integrieren, zum zweiten unterscheidet sich die Station als einfaches technisches Element vom Aufenthaltsort. Zudem brachte diese Freistellung wesentliche Verbesserungen beim Brandschutz. Den massiven Betonbau einer ehemaligen Sesselbahnstation konnten die Architekten dagegen konstruktiv integrieren und so einen Großteil ihres Bauwerks auf bereits versiegelten Flächen unterbringen. Nicht zuletzt um möglichst viel Gewicht und Hubschrauberflüge einzusparen, haben sie das Gerüst des Restaurants als Holz-Skelettbau geplant.

Baustelle Hochgebirge

Nach Fertigstellung eines Bauwerks dokumentiert das Bautagebuch die wesentlichen Schritte des Bauverlaufs, für Außenstehende ist es meist von geringem Interesse. Im Falle des Gipfelrestaurants am Nebelhorn allerdings lässt es im Nachhinein nochmals die Anstrengungen ermessen, die mit dem Bauen im Hochgebirge verbunden sind. Erschwerte Bedingungen wie Wettereinbrüche, Aufbau unter wechselnden klimatischen Bedingungen, komplizierte Logistik der Anlieferung, Auswahl und Abstimmung der Baumaterialien auf die besonderen Anforderungen, lassen sich auf diese Weise zumindest erahnen. „Bauen in dieser Höhe ist immer eine Herausforderung“, weiß Bauleiter Manuel Thurner von der HTB Bau aus Arzl im Pitztal. Für ihn ist das Alltag. Sein Unternehmen ist auf das Bauen im Hochgebirge, auf Wind, Wetter und die besondere Logistik spezialisiert. Beim Gipfelrestaurant auf dem Nebelhorn hat der Ingenieur mit seinem Team den Abbruch sowie den gesamten Rohbau inklusive Holzbau bei laufendem touristischem Betrieb der Bahn ausgeführt. Die ganze Bauzeit über fuhren seine Mitarbeiter 20 Minuten mit der Seilbahn zur Arbeit. Nur eine Palette voll Baumaterial passte in eine Kabine. Daher musste das Material zu großen Teilen per Hubschrauber von der Mittelstation eingeflogen werden. Insbesondere der Transportbeton für die massiven Bauteile kam genau eingestellt auf die besonderen Anforderungen und just in time von Geiger Beton aus Sonthofen. Für Bodenplatten, hangseitige Stützwände, zwei Aufzugschächte und die Fundamente des Nordwandsteigs hatte der Betonproduzent durch eine spezielle Rezeptur den Beton auf bis zu sechs Stunden verzögert, um die Transport- beziehungsweise Flugzeit zu überbrücken.

Gute Aussichten

Seit der Eröffnung des Restaurants genießen die Besucher des Nebelhorn-Gipfels nun gastronomische Köstlichkeiten bei vollem Alpenpanorama. Einen besonderen Hochgenuss oder Nervenkitzel können sie zusätzlich von der unteren Terrassenebene aus auf dem neuen Nordwandsteig erleben. Von einem umfangreich gesicherten und einfach begehbaren Steig aus, einer 100 Meter langen Stahlkonstruktion mit Gitterrosten, kann der komplette Gipfelbereich umrundet werden. Der barrierefreie Steig bietet bei freier Sicht eine unvergessliche Aussicht auf die Gipfel und eröffnet mit einem Blick in 600 Meter Tiefe entlang der Nebelhorn Nordwand völlig neue Perspektiven.

OBJEKTSTECKBRIEF

Projekt: Nebelhorn Restaurant Gipfelstation
Bauherr: Nebelhornbahn AG, Oberstdorf
Architekten: Architekten Hermann Kaufmann ZT GmbH, Schwarzach/A
Bauunternehmung: HTB Baugesellschaft mbH, Arzl im Pitztal/A
Bauprodukte Leimbinder: Brüder Theurl GmbH, Tirol/A, CLT: Binderholz GmbH, Fügen/A
Zement: 200 t CEM II/A-LL 32,5 R und CEM II/A-LL 42,5 R aus dem Zementwerk Schelklingen der HeidelbergCement AG
Betonproduzent: Geiger Beton GmbH & Co. KG, Werk Sonthofen
Helikopter: HELIX-Fluggesellschaft, Neuenstein

Quelle: HeidelbergCement in Deutschland
Fotos: HeidelbergCement AG / Steffen Fuchs

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